Montag, 26. Mai 2008

Buchvital: Poesie di Ippolito Pindemonte Veronese, Parte II.




Mir ist nicht wirklich klar, ob der Autor dieses Büchleins, Pindemonte Veronese, ein Wichtiger ist, ich kann kein Italienisch. Aber ich sehe auf den ersten Blick: Rein äußerlich ist das Buch (ca. 112 x 16,5 cm, von der Größe her zwischen Duodez und Sedez liegend) ziemlich beschädigt, es hat aber innere Werte, die mich erfreuen. Deshalb wird es bald einen neue Hülle bekommen, die ich nach Maestra Arreguis neuester Publikation, ‚label binding’ bauen werde.
Der Text ist in einer zauberhaft zarten Bodoni gesetzt, in einer Typographie, wie sie schöner nicht sein kann. 1800 vom Blei gedruckt auf einem höchstens 50 g/qm handgeschöpftem Bütten, dieses mit einem großen Wasserzeichen (Malterserkreuz, Wappen von Parma, Initialen). Das Papier wurde vor dem Einbinden berauft, nicht beschnitten.
Buchbinderisch ist das Bändchen für mich eine Novität, einen solchen Einband habe ich noch nie gesehen. Der Buchblock ist auf zwei Hanfschnüre geheftet, mit den obligaten Fitzbünden. Der Einband besteht aus einer höchsten ein mm starken und ziemlich rauhen Graupappe, diese ist mit einem eingefärbten Büttenpapier kaschiert, dessen ursprüngliche Farbgebung nicht wirklich zu rekonstruieren ist (Irgendetwas zwischen Gebrannter Siena und einem Orange-Rot ist es IMHO gewesen.)
Nun habe ich gelernt, dass ein ordentliches Buch Vorsätze zu haben hat. Dieses hat sie auch, aber, sie sind jeweils nur mit einem Blatt innen auf dem Deckel bzw. auf dem Rücken aufgeklebt, die zweite Hälfte des Vorsatzes bleibt frei (Bild oben) und wurde nicht mit dem Block verklebt. Die Verbindung zum Buchblock wurde durch eine trickreiche (verschlungene) Fadenheftung durch den Vorsatzfalz und den Falz der ersten bzw. der letzten Lage hergestellt, die dadurch eine doppelte Heftung haben (Bild mitte).
Ich hoffe, die Bilder können das einigermaßen zeigen, die wörtliche Beschreibung fällt mir schwer. Die Heftschnüre wurden, wie das damals (in Frankreich ?) so Usus war, flach durch die gelochten Pappen nach innen geführt, ein wenig aufgespleisst, verleimt, gepresst und dann überkaschiert (Bild unten).
Mein alter Buchbinde-Guru, der Herr Krons, hätte diese Bindung als ‚rauh aber herzlich‘ bezeichnet. Doch ich bezweifle, dass er ihr je begegnet ist.

Freitag, 23. Mai 2008

The Cologne Wedding

Im vergangenen Jahr heiratete unsere Kölner Freundin Lisa in Chicago ihren geliebten Ilya - in einer nahezu rein amerikanischen Zeremonie. Weil die Reiselust von hüben nach drüben auch heute noch - trotz der günstigen Umtausverhältnisse - leicht negativ gepolt ist, feiern die beiden in diesem Jahr mit ihren Kölner Freunden noch einmal.
Diesmal gibt es auch Geschenke. Die Zilligs (Senior) schenken ein gewünschtes Fotoalbum, das ich „The Cologne Wedding” betitelt habe. Es ist eine wahrhaft transatlantische Kombination aus einem US-amerikanischen Ready-made-Buchblock (Fotokarton mit Spinnenpapier), satt-grünem französischem Ziegenlammleder (als Überzug des Rückens mit falschen Bünden) und für den Umschlag handgemachtem deutschem Marmorpapier (in frühlingsfrischen Hochzeitsfarben). Das habe ich einer Buchbindefreundin abgeschwatzt, weil meine Vorräte alle farblich viel zu ‚heavy‘ gewesen wären.
Leider war der Buchblock wochenlang völlig schief und hammerfest in Folie eingeschrinkelt, weshalb er mir beim Verarbeiten Probleme bereitet hat: Er ließ sich mit keinem Trick der Welt mehr auf einen erträglichen Steigungswinkel bewegen - weder vorne steiler noch hinten flacher. Deshalb erfreut mich das Endergebnis dann doch ein wenig, nicht zuletzt, weil der Versuch, einen Buchumschlag mit Kölner Dom-Intarsien aus Iris-Leinen zu gestalten, vorher völlig daneben geraten war.
The Cologne Wedding Album

Mittwoch, 21. Mai 2008

Falzbeine


Im Laufe eines längeren Hobby-Buchbinder-Lebens sammelt sich halt dies und das im Werkzeugkistl an. Dies sind meine Falzbeine, Bonefolder im englischsprachigen Ausland genannt. Falzbeine sind, aus Rinderknochen hergestellte, überaus nützliche, preiswerte Gerätschaften, wenn man auch in schwer zugänglichen Ritzen und Falze Pappe, Leim, Bezugsstoffe richtig und feinfühlig zu ritzen, zu falzen, anzureiben oder gar anzupressen hat. Durch den Leim oder den Kleister wird das Material schön gefügig, aber auch zickig. Deshalb, Buchbinder-Hobbyist, sweep the bones, folder.
Mein Freund im Buchbindergeiste Uwe bezeichnet uns - sehr zum Entzücken der meist weiblichen (und englischsprachigen) Buchbinderleins in unserer news group als „Falzbeinschubser”, was frei übersetzt heißen könnte: „bonefolder pusher”. Nun können Sie selbst wählen, welcher Begriff Ihnen der ‚liebere‘ ist. Und wenn Ihnen ein gekochter, gebleichter und geschliffener Rindsknochen gar nicht gefällt, weil Sie veganische Bücher binden wollen, dann kaufen Sie sich doch ein gleißend weißes Falzbein aus Silikon, das kostet mindestens das 8 bis 10fache und kann auch nicht viel mehr. Eine falzbeinähnliche, handtellergroße Kleingerätschaft, die ursprünglich aus der Töpferei stammt, steht noch auf meinem Wunschzettel. Die gibt es nur in USA und wird aus Kirschholz gemacht. Damit lassen sich größere Flächen anreiben und große, volumige Papierbögen herrlich falzen. ‚Freue dich, Christkind kommt bald …‘.

Freitag, 16. Mai 2008

Ich darf mal zitieren? Thema Hand-Werk!

In der Online-Version der FAZ vom 16. Mai 2008 (FAZ.net) - Im Gespräch: Annie Proulx - Wie man Gegenstände richtig herstellt - finde ich dieses Zitat, dass ich mir und diesem Blog nicht vorenthalten darf:
«Weswegen lieben Sie das Handwerk?
Ich weiß es nicht. Ich mag Leute, die Dinge tun und sie gut erledigen. Ich mag Handwerkerstolz und das richtige Herstellen von Gegenständen. Das ist selten geworden. Daher fühle ich mich mehr denn je zu Leuten hingezogen, die etwas tun.»

Hach, da muss also eine weltberühmte Schriftstellerin (Schiffsmeldungen, Hinterland, Dirt, Brokeback Mountain usw.) aus den Tiefen der USA nach Deutschland kommen und mir das vor die Nase sagen. Schön. Das macht mein Wochenende, welches mit handwerklichen Sklavenarbeiten vollgestopft sein wird.
Das ganze, kurze Interview mit Annie Proulx finden Sie hier: http://tinyurl.com/5hmtp6

Donnerstag, 15. Mai 2008

Think twice cut once!


Für die überschriebene Weisheit darf Edgar Mansfield, einer der berühmten englischen Großmeister der Buchbinderei, das Urheberrecht beanspruchen. Heute also des Schneidens zweiter Teil - Scheren. Von rechts nach links erscheinen: Ein bei Buchbinders gern gesehenes Werkzeug, die Pappschere, die unter dem merkwürdigen Namen ‚Sackschere‘ in verschiedenen Größen gehandelt wird. Dies ist meine kleine Version, gut 20 cm lang, Vor allem Pappe, Leder, Stoffe, natürlich auch Papier, egal, dieses sauscharfe Gerät (aus den 30er Jahren) kriegt alles klein. Die große Schwester (von manufaktum) gleicher Bauart und Herkunft erschien mir etwas zu schwer für die Scannerscheibe, ebenso wie die 32 cm lange Papierschere, auch bekannt als Büroschere. Die kleine Schere, die mit den schwarz ummantelten Grifflöchern, ist auch nicht ohne Schärfe und sehr spitz. Die nehme ich, um Fäden, Heft- u. Kapitalbänder auf Maß zu trimmen (gekauft im BuBi-Bedarf). Dann folgt meine Siluettenschere (vorne gerade! Die gekrümmten sind für Mani-/Pediküre, Dummchen.) Das ist ein sehr sensibles, diffiziles Dingelchen für Scherenschnittarbeiten. Die hat schon bei Grammaturen über 100 g/qm ihre Probleme. Ob sie deshalb so teuer gehandelt wird, wenn überhaupt? Ich habe Flohmarkt-Glück gehabt. Ach, und links aussen, das Pummelchen, ist eine Kinderschere, mit der man so was wie Büttenrand (Ahem!) schneiden kann. Für Etiketten reichts. Größere Maße müssen halt nach alter Väter Sitte gerissen oder gerauft werden.
Schließlich wird der genaue Beobachter feststellen, dass sich an meinen Scheren Rostblümchen zeigen. Auch wenn ich nach der Arbeit meine Werkzeuge sorgfältig säubere und auch einfette, irgendwas bleibt immer hängen, auch zum Beweis, dass BuBi-Leime und -Kleister ganz schön angriffslustig sein können. Im VHS-Kurs vor ein paar Jahren haben zwei ignorante MitspielerInnen dies nicht glauben wollen. Ein paar von den Scheren mussten wir vor dem Öffnen tagelang in Caramba baden, um sie dann entrosten zu können.

Samstag, 3. Mai 2008

Handwerkszeug: Messer

Nein, Sie müssen nicht glauben, ich sei ein Fetischist, der sich auf Messer kapriziert hat. Nee, viel prosaischer, ich bin Hobby-Buchbinder. Und als solcher benötige ich Messer mit unterschiedlichen Eigenschaften für alle möglichen Zwecke.
Beim Bücher binden oder beim Bücher reparieren müssen ständig Papier, Pappe, Textilien, Leder und sonstiges Material billiger oder edler Provenienz bearbeitet und zugeschnitten werden. Erfahrene Handwerker werden Ihnen bestätigen, dass es nichts schrecklicheres gibt, als stumpfe Werkzeuge.
Jedes meiner Messer (es sind noch nicht alle) hat seine Aufgabe und manches hat auch eine Geschichte.
Nehmen Sie das ‚Mercator-Messer’ rechts: Es ist groß, kräftig, billig, denn es hat nur einen Blechgriff. Dafür ist es weltweit seit den 19hunderter Jahren bekannt als sog. Werkzeugmesser. Es verzeiht alles, ausser Feuchtigkeit, denn es ist, wie die meisten guten Messer, nicht rostfrei. Den Winzling in der Mitte, habe ich immer in der Münztasche meiner Jeans stecken, geschützt durch ein kleines Lederetui - Mann kann ja nie wissen. Das Buchbindermesser mit der Kurzklinge muss ich niemand erläutern, es gibt noch einen Lulatsch im Werkzeugkasten mit 20 cm langer Klinge. BuBi-Messer sind an sich ganz genial, senkrecht mit der Spitze aufgestellt, lässt sich damit hervorragend ritzen; mit der flach aufliegenden Klinge schneiden. Damit Pappe zu schneiden ist allerdings eine Qual, es dauert ewig. Deshalb habe ich mir das No-Name-Messer (aus gutem Hause) mit 18 mm Abbrechklingen gekauft, das liegt hervorragend in der Hand. Das Messer mit der blattförmigen Doppelklinge ist gelegentlich sehr nützlich, es ist ein Radier- oder Retusche-Messer mit Ebenholzgriff aus meiner lange versunkenen Berufswelt. Damit durfte ich als Jungspund in der Agentur Tusche- oder Farbkleckse von den Reinzeichnungen runterschaben oder Layoutsatz abheben. Gelegentlich wurden dafür auch Rasierklingen ausgegeben. Aber die habe ich hier weggelassen. Oben sind dann diverse Skalpelle zu bestaunen. Das alleroberste ist meine neueste Errungenschaft, ein Martor-Boy mit 72er Klinge für 's Lederschärfen nach Roger Green, Wuppertal.
Nicht mit aufgenommen habe ich das Fläschlein mit dem farblosen Wunddesinfektionsmittel, das zusammen mit ein paar hygienisch verpackten Pflasterstreifen ebenfalls in der Schublade mit den Messern und den Ersatzklingen seinen Platz hat. Warum wohl?
Soviel für heute. Nächstes Mal schneiden wir weiter, dann aber mit einer der Scheren!

Freitag, 2. Mai 2008

NEUES von Maestra Arregui


Carmencho Arregui, ist Buchbinderin und Buchkünstlerin, in Spanien geboren, in Italien lebend und arbeitend und in ganz Europa ihre Buchbindetechnik lehrend. Richtig bekannt wurde sie durch die Publikation einer Eigenentwicklung, der „Cross Structure Binding”-Technik im „New Bookbinder”. Gerade hat sie eine weitere neu entwickelte Bindetechnik, „Label Binding” ihrer staunenden Fan-Gemeinde präsentiert.
Apropos Präsentieren: Neben ihren subtilen und anspruchsvollen Buchbinde- und Restaurierungsarbeiten hat sie eines ihrer „Nebenprodukte” weiterentwickelt. Sie nennt ihr Display „T-mostro”. Wenn ich als alter Papier- und Pappenfrickler das richtig einschätze, kann sich der geneigte Amateur auf einer Schneideunterlage mit Messer, Lineal, Winkel und ein paar „Bulldogclams” feine, flach zusammenlegbare Displays bauen. Persönliche Anmerkung: Es muss ja nicht handgeschöpfter schwerster Büttenkarton erster Güte sein, für den Camench0 so schwärmt. Ich denke, La Maestra wird nicht böse sein, wenn man eine schöne Feinwelle oder einen geeigneten Karton benutzt, dessen Oberfläche man vielleicht mit etwas Akrylfarbe coloriert und mit etwas stark verdünntem Buchbinderleim Glanz verleiht. [Bildquelle: outofbookbinding.com]

Histoire de Charles XII




So ein schönes Buch, …
… hat Claudia Renetzki geschaffen, handwerklich gearbeitet, IMHO aussergewöhnlich schön, und ja, witzig, was man gemeinhin von einer deutschen Buchgestalterin nicht erwartet. Klicken Sie hier; es gibt noch viel mehr zu sehen. [Bildquelle: renetzki.de]